Als die brennende Fackel erlischt Der Absturz des britischen Bombers bei Michelau-Neuhausen 1943 Teil 1 ____________________ |
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______________ Sgt. Norman Alfred Pinxton Chew _______________ Letters
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Eine Maschine dieses Typs, eine Lancaster III, stürzt in der Nacht vom 27. auf den 28. Februar 1943 beim Luftangriff der Briten auf Nürnberg über dem heutigen Michelauer Ortsteil Neuhausen ab. Alle sieben Besatzungsmitglieder kommen ums Leben. ____________________
Es ist die Nacht vom 27. auf den 28. August 1943. Der Zweite Weltkrieg ist in vollem Gange. Die britische Luftwaffe bläst zum Großangriff auf Nürnberg. 674 Bomber bohren sich an diesem Freitag von den verschiedenen über Ostengland verteilten Stützpunkten mit ihrer zerstörerischen Fracht in den Abendhimmel. In Wickenby startet die von Leonard Aspden geflogene Lancaster der 12. Bomberschwadron. Vor ihr und den anderen Bombern des Angriffsverbandes liegt ein weiter Weg hin und wieder zurück. Doch zum Rückflug kommt es für Aspden und seine Mannschaft nicht mehr. Über Neuhausen bei Michelau wird der Bomber der Royal Air Force in dieser Nacht für die siebenköpfige Crew zum fliegenden Sarg. Die Lancaster III mit der Seriennummer DV187 und dem Kennzeichen PH-A hebt genau um 21.28 Uhr auf dem Flugplatz an der Ostküste ab. Die hochbrisante Ladung der Maschine besteht aus 4,3 Tonnen Spreng-, Stabbrand- und Phosphorbrandbomben, inklusive einer gefürchteten allein 1,8 Tonnen schweren Luftmine. Bei Beachy Head in der Nähe von Eastbourne verlässt der Pulk mit 349 Lancaster-, 221 Halifax- und 104 Stirling-Bombern die Insel, überquert den Ärmelkanal und fliegt quer durch Frankreich, ehe er nach Osten in Richtung Deutschland eindreht. Nach einem letzten Schwenk südlich vor Nürnberg nach Norden nehmen die Angreifer endgültig Kurs auf die Stadt. Die deutsche Luftwaffe ist längst in höchste Alarmbereitschaft versetzt. So auch die zu dieser Zeit südlich von Brüssel in Florennes in Belgien stationierte 1. Staffel des Nachtjagdgeschwaders (NJG) 4. Um 0.26 Uhr wirft auf dem Fliegerhorst der frisch gebackene Staffelkapitän, Oberleutnant Ludwig Meister, die beiden Motoren seiner Messerschmitt Bf 110 g-4 (Bf steht für das Kürzel des Herstellers Bayerische Flugzeugwerke AG) an. Mit an Bord: Hannes Forke, der Navigator und Funker, sowie Bordmechaniker Toni Werzinski. Hannes Forke schreibt in sein Tagebuch: "Nach zwei Tagen der Ruhe geht die 'wilde Sau' wieder auf Strecke." Mit der "Wilden Sau" ist die Angriffstaktik der deutschen Luftwaffe gemeint, das heißt der Flugzeugführer wird auf den Zielort eingewiesen, darf ansonsten aber regelrecht "auf Jagd gehen", sprich herumstreifen. Nicht zuletzt warten die Besatzungen darauf, dass feindliche Flugzeuge von den Scheinwerfern erfasst werden, um sich auf sie zu stürzen. Anders als beim Angriff zuvor am 10./11. August ist der örtliche Luftschutzleiter in Nürnberg diesmal durch das Luftschutz-Warnkommando rechtzeitig darüber informiert, dass der Bomberstrom die Stadt ansteuert. Nachdem bereits der Werksluftschutz und die anderen Luftschutzkräfte alarmiert sind, löst die Warnzentrale um 0.53 Uhr die Sirenen aus: "Fliegeralarm". Oberleutnant Meisters Me 110 mit dem Kennzeichen 3C + MJ hat inzwischen den Rhein bei Ludwigshafen überquert und Mannheim passiert. Flakfeuer und Scheinwerfertätigkeit weisen bereits auf die Anwesenheit der "Tommies", also Engländer, hin. Im Raum Schwäbisch-Hall ist es soweit. Meister und seiner Crew gelingt es, die Lancaster ED627 der 207. Schwadron der Royal Air Force abzuschießen. Das Flugzeug stürzt gegen 1.35 Uhr mit voller Bombenlast bei Hohenberg zwischen Geislingen und Wolpertshausen zu Boden. Pilot Arthur Fitzgerald und seine Crew finden den Tod. Es ist der 13. Abschuss, der Ludwig Meister von der zuständigen Luftgau-Kommission anerkannt wird. Gegen 1 Uhr werden die ersten feindlichen Flugzeuge über Nürnberg gesichtet. Über eineinhalb Stunden wird der nächtliche Spuk dauern, bevor die letzten Angreifer abdrehen. Der Himmel ist wolkenlos, die Nacht wegen des Neumondes aber extrem dunkel. Über dem Stadtgebiet stoßen die Eindringliche endgültig auf den erbitterten Widerstand der Flakstellungen und der deutschen Luftabwehr. Mutig werfen sich die Piloten der Luftwaffe den Engländern entgegen. Die Suchscheinwerfer versuchen immer wieder die feindlichen Bomber zu erfassen, um sie so zu einem leichten Ziel für die Flak-Batterien und die deutschen Jagdflugzeuge zu machen. Oberleutnant Meister hat fast das Ziel erreicht, als er plötzlich im Feuerschein der lichterloh brennenden Nürnbergs die Silhouette eines in gleicher Höhe fliegenden viermotorigen Bombers auf sich zukommen sieht. Nur dank einer blitzschnellen Reaktion gelingt es dem 23-jährigen, im letzten Moment noch den Frontalzusammenstoß zu vermeiden. Die gefährliche Situation ist gerade überstanden, da wartet die nächste große Herausforderung auf die Besatzung. Meister erkennt, wie eine von den Scheinwerfern erfasste Lancaster "wie wild am Nachthimmel herumkurvt", um aus dem tödlichen Licht herauszukommen. Aus einer Höhe von 5000 bis 6000 Metern stürzt sich der deutsche Nachtjäger von oben auf sein Opfer und schießt die Lancaster in Brand. Ludwig Meister: "Damit war der Fall für mich erledigt. Ich musste mich beeilen, um selbst wieder aus dem Scheinwerferlicht herauszukommen. Die Flak schoss aus allen Rohren." Hannes Forke beschreibt den 14. Abschuss der Besatzung in seinem Tagebuch wie folgt: "Plötzlich sehen wir im Scheinwerferlicht den zweiten Tommy. Ran und schießen und dabei 2000 Meter abschmieren, das ist alles eins. Als wir hochschauen, brennt der Tommy lichterloh. Also um 1.57 Uhr der zweite Abschuss . . . Was heute an Tommies herunterfiel, das habe ich noch nie erlebt." Und Forke hat recht damit. Allein im hiesigen Raum stürzen neben dem Bomber in Neuhausen weitere zwischen Prölsdorf und Halbersdorf sowie bei Füttersee, Schwarzenau und Iphofen-Hellmitzheim ab. An Bord der brennenden Lancaster ist zu dieser Zeit die Hölle los. Irgendwie schafft es der Pilot aber, die Maschine wieder unter Kontrolle zu bringen. Verfolgt von deutschen Jagdflugzeugen, sucht er nun sein Heil in der Flucht nach Westen. Doch die Mannschaft bekommt das Feuer an Bord nicht unter Kontrolle, beginnt mehr und mehr damit, alles Brennbare aus dem Flugzeug zu werfen. So wird man später zwischen Unter- und Obersteinbach angesengte Decken und Schlafsäcke aus der Maschine finden. Inzwischen brennt das Flugzeug wie eine Fackel am ganzen Leib. An Bord detoniert bereits Munition. Von Geusfeld über den Zabelstein kommend, rast die Maschine auf Neuhausen und Prüßberg zu. Ob sie noch einmal am Wald dreht, darüber gehen die Meinungen auseinander. Tatsache ist, dass es schon oben auf dem Zabelstein-Plateau über dem "Haussteig" zu einer größeren Explosion an Bord kommt. Die ersten Teile fallen nach unten. Der Bomber fliegt aber noch weiter und droht nun auf das Dorf zu stürzen. Anna Reinhart, Jahrgang 1911, eine geborene Kram, sieht von Neuhausen aus beim Blick durchs Fenster mehrere Maschinen über den Zabelstein kommen. Mit einem ihrer zwei kleinen Kinder auf dem Arm läuft sie die Treppe hinunter, um zur Haustür hinauszuschauen . . . Es folgt der 2. und letzte Teil
Entlang des vorgelagerten Grünstreifens kurz vor Neuhausen an der Straße nach Prüßberg lagen die meisten Wrackteile des in der Nacht vom 27. auf den 28. August 1943 abgestürzten Bombers. FOTO Norbert Vollmann ______________________________ Bombardierung von Nürnberg Strategische Bedeutung Neuhausen (novo) Nürnberg wurde im Zweiten Weltkrieg aus verschiedenen Gründen immer wieder von den Alliierten bombardiert. Dass die Stadt Zentrum der Reichsparteitage war, spielte dabei nur eine untergeordnete Rolle. Die Engländer und Amerikaner hatten hier wichtigere Ziele ausgemacht. Zum einen schnitten sich in Nürnberg zwei Bahnstrecken, die für die deutsche Kriegsführung sehr wichtig waren, die Verbindung vom Ruhrgebiet nach Wien und Südosteuropa und die Route Berlin und Mitteldeutschland nach Italien. Für den Stromverbund im Reich war die Schaltstation Gebersdorf der Bayernwerk AG von größter Bedeutung. Sie verband Kraftwerke im Osten und Süden mit dem Netz der RWE in Westdeutschland. Zum anderen hatte die Nürnberger Industrie aus alliierter Sicht eine erhebliche Bedeutung für die Produktion von U-Boot-Motoren, Kampfpanzern, gepanzerten Fahrzeugen, Lastwagen und anderen Militärfahrzeugen, Zubehörteilen für den Fahrzeug- und Flugzeugbau, ferner bei der Herstellung von Elektromotoren, Scheinwerfern, Waffen und Munition. Hierfür stehen so bekannte Firmennamen wie MAN, Siemens, Triumph oder Zündapp. ______________________________
Die Toten von Neuhausen 6 Briten und 1 Kanadier Neuhausen (novo) Das sind die sieben Besatzungsmitglieder der Lancaster, die beim Luftangriff der Royal Air Force auf Nürnberg am 27./28. August 1943 bei Michelau-Neuhausen tödlich abstürzen: Pilot Leonard Wilson Aspden (22) aus Letchworth (Hertfordshire). Bordmechaniker Kenneth Jack Bevis (22) aus Weymouth (Dorsetshire). Navigator Edward Kelloway (20) aus Port Arthur, Ontario (Kanada). Bombenschütze Graham King (26) aus Watford (Hertfordshire). Funker Ronald Williams Dobbins (23) aus Wolverley (Worcestershire). Der Schütze im oberen Drehturm Eric Wilfred Clayton (36) aus Hull, Yorkshire. Heckschütze Norman Alfred Pinxton Chew (35) aus Pinner (Middlesex). King, Clayton und Chew sind verheiratet und hinterlassen Frau und Kinder. Besonders tragisch: Der eigentliche Heckschütze, Sergeant Butler, fällt an diesen Tag aus und wird kurzfristig durch Chew ersetzt. Der stirbt, Butler überlebt den Krieg. Der Angriff auf Nürnberg ist der zwölfte Einsatz der Crew mit der 12. Staffel der Königlichen Britischen Luftwaffe (Royal Air Force) seit dem 24./25. Juni 1943. Beim 9. Einsatz am 10./11. August 1943 macht die Besatzung zum ersten Mal Bekanntschaft mit Nürnberg. Weitere erfolgreiche Angriffe fliegt sie unter anderem gegen Wuppertal, Köln, Gelsenkirchen, Hamburg, Essen, Mannheim und am 23./24. August 1943 gegen Berlin, bevor die Crew von Leonard Aspden am 27./28.August 1943 beim Angriff auf Nürnberg ums Leben kommt.
An Bord des am 28. August 1943 bei Neuhausen abgestürzten britischen Lancaster-Bombers befanden sich sechs Briten und mit Sergeant Edward Kelloway (Foto) ein Kanadier. Er war der Navigator der Crew.
© Norbert Vollmann 2006-2007
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